Grandeur, unser Charakterpferd, lebt nicht mehr

Vor knapp vier Jahren haben wir unser TOP-Voltigierpferd Grandeur aus dem Leistungssport verabschiedet. Dazu hatte ich auf unserer Homepage einen Artikel mit einer „Hommage an Grandeur“ geschrieben.

Für uns alle sehr traurig und unerwartet: Grandeur ist in der Nacht vom 09. auf den 10. September unvermittelt gestorben.

Weil die damalige Beschreibung bis heute zutreffend ist, möchte ich sie bis auf einige Ergänzungen, die die letzten Jahre betreffen, noch einmal in Erinnerung rufen:

Grandeur galt in den ersten beiden Jahren seiner Tätigkeit im Reit- und Fahrverein Daun als unbelehrbar, resistent gegen alle erzieherischen Maßnahmen und äußerst trickreich im Umgang mit seinen potentiellen Reitern und Trainern. Schlicht – er kämpfte gegen alles und jeden.

Im Jahr 2009 zog der Rappwallach als ehemaliges Fahrpferd mit stoischem Gemüt und völlig unempfindlichem Rücken als mögliches Voltigierpferd in den Stall des Reit-und Fahrvereins Daun. Schön anzusehen war er damals nicht unbedingt, großer Kopf, schwerer Körper, aber ein super stabiles Fundament.

Schon beim Verladen in seiner ehemaligen Heimat zwecks Umzug nach Daun zeigte Grandeur erstmals sein Können – nein, kein Hänger! Es dauerte sehr, sehr lange, bis er dann endlich beschloss, das Futter im Hänger doch anzunehmen, aber die damals Verantwortlichen dachten, das sei nur eine kurze Laune gewesen und machten sich darüber eigentlich keine Gedanken.

Im neuen Zuhause angekommen, ging es zwei Tage später dann richtig los:

Der bärenstarke Wallach wusste um seine Kräfte, probierte alles aus – Eindrücken der Boxenwände, Ignorieren sämtlicher Versuche, ihn dahin zu führen, wo man als Mensch hinwollte, quittierte an der Longe jede Hilfe quietschend mit einem blitzschnellen Umdrehen und war damit lange Zeit der Sieger. In den Hänger gehen war natürlich weiterhin indiskutabel.

Es gab trotzdem Leute, die an ihn geglaubt haben, weil er sie zwar ständig durch den Sand geschleift hatte, aber ganz langsam seine Qualitäten durchsickern ließ:

Gutes Durchspringen der Galoppade auch bei hoher Belastung in der Kür, absolut gelassenes, allerdings sehr stures Temperament und zu diesem Zeitpunkt, noch nicht ganz ahnbar: Er lässt fast alles zu, wenn man den Schlüssel zu ihm findet – aber den gab es noch nicht.

 

Dann Bad-Ems, erstes Turnier: Grandeur drehte sich mitten in der Prüfung einfach um nach dem Motto: Ich habe genug getan! Wettkampf ade! Toll für den ersten Eindruck eines neuen Voltigierpferdes!

Beim nächsten Turnier in Kurtscheid , wobei er immerhin recht gut seine Runden gedreht hatte, gab es wiedermal den Beschluss, nicht in den Hänger zu gehen. Nach einem mehr als vierstündigen Verlademanöver mit vielen, sehr starken Männern waren die Verantwortlichen so genervt, dass sie beschlossen, Grandeur zu verkaufen, was diesem auch deutlich mitgeteilt wurde. Ein Pferd, das ständig gegen alles kämpft, war nicht mehr tragbar.

Und dann die unglaubliche Wende:

Weil man Grandeur ja trotz der Verkaufsabsichten weiterbewegen musste, wurde er beim nächsten Training nochmal eingesetzt – ein Wunder! Kein Umdrehen, jedes Kommando sofort akzeptiert, fleißige Galoppade, er suchte sogar erstmals die Nähe der Menschen um ihn herum. So recht wollte das erstmal keiner glauben, doch es wiederholte sich und blieb im heimischen Stall so.

Also kein Verkauf, Grandeur durfte bleiben, zumindest bis zum nächsten Turnier im nächsten Frühjahr. Und dann das gleiche Drama: Kein Hänger! Aber die Bezugspersonen hatten auch gelernt und ließen ihm keine Chance mehr - das hat er dann sofort verstanden und stieg fortan fast problemlos ein, es durfte aber keinerlei Ausweichmöglichkeit geben.

Von da an wurde Grandeur zu einem Pferd, das nicht mehr gegen, sondern beständig und immer mehr mitgekämpft hat. Er hat seine Trainer und die Voltigierer nicht in einem einzigen Wettkampf im Stich gelassen, im Gegenteil, er wuchs mit den Teams und den Anforderungen, wurde immer stärker zum verlässlichsten Partner in jeder Prüfungssituation. Und er wusste sich zu präsentieren, hat sich vom klobigen Fahrpferd zu einem muskulösen, ansehnlichen Sportpferd entwickelt, das seine Menschen kannte und ihnen vertraute. Dass er nebenbei immer seinen Weg ging, so manchem Voltigierer zeigte, wo das beste Gras wächst, wie man vernünftig eine Trense anlegt, an welche Stelle man beim Hufauskratzen am besten seine Füße stellt, das hat er immer beibehalten.

Grandeurs beste Saison war 2017: Verbandsmeister, Vizelandesmeister und 3. bei der Süddeutschen Meisterschaft – daran hatte Grandeur den größten Anteil. Das Team und er waren eine verschworene Gemeinschaft, er lief jeden Wettkampf perfekt und die Saison war der Höhepunkt für uns mit diesem außergewöhnlichen Pferd.

Im Jahr darauf stellte sich dann eine leichte Arthrose ein, die zunächst erfolgreich behandelt wurde, doch 2019 wurde entschieden, dass Grandeur nicht mehr im Leistungssport eingesetzt werden sollte.

 

Er wurde zum halben Pferdepensionär, zunächst in Demerath. Den ganzen Sommer nur auf der Weide zu verbringen, hat ihm gutgetan, auch wenn so manches Tränkebecken zu Bruch ging und im Unterstand die Wände verstärkt werden mussten. Und er hat sich sichtlich wohlgefühlt, den kleinen Voltigierern als Gesellschafter zu dienen, sich bemuttern zu lassen, auf dem Paddock aber immer noch den Kampfstier zu spielen - Grandeur eben.

Dann kam der Umzug nach Leienkaul. Dort fand er seinen idealen Partner im Offenstall, Paradus. Natürlich konnte man auch da nicht erwarten, dass er sich sofort arrangieren würde, aber immerhin hat er sich so gut benommen, dass sein neuer Partner keine Verletzungen davontrug – und im Laufe der Zeit wurden die beiden Pferde die besten Freunde. Und die jungen Voltigierer hatten weiterhin eine große Freude an dem inzwischen so duldsamen, ruhigen, gelassenen, in ihren Augen riesigen Pferd. So ganz alleine führen konnten sie ihn trotzdem nicht – Grün in der Nähe hatte eine unbezwingbare Anziehungskraft.

Sein Partner Paradus musste aufgrund einer schweren Erkrankung im letzten Jahr eingeschläfert werden. Und nun lebt auch Grandeur nicht mehr.

Ich habe mich selten mit einem Pferd so auseinandergesetzt wie mit Grandeur. Er hat mich mit all meinem vermeintlichen Wissen und Können immer wieder auf die Probe gestellt und mich manches Mal spüren lassen, dass ich ihm nicht gewachsen war. Erst im Laufe der Jahre war eine enge Vertrautheit entstanden, die Erfolgsgarantie im Sport war und bis jetzt gehalten hat. Sieben Jahre lang war Grandeur im Voltigiersport ein absolut verlässlicher Partner für mich und die Voltigierer, aber er war auch der letzte - typisch - der mich als Reiter mit plötzlichem Buckeln abgesetzt hat. Ebenso wie den Nikolaus, der bei der Weihnachtsfeier eingeritten war und die Kinder bescheren wollte. Grandeur war super brav dabei, dachte dann aber wohl, ich bin die Hauptperson, nicht der Nikolaus und setzte ihn kurzerhand mit einem einzigen unerwarteten Bocksprung zum Entsetzen der Kinder in den Sand. Aber auch das haben wir ihm natürlich verziehen.

 

Nach den Jahren im Leistungssport hat er in Demerath dank Familie Faßbender eine tolle Zeit mit Cosi auf den weitläufigen Weiden und dem Offenstall verbracht. Und als es nach Leienkaul ging, fand er mit Paradus, auch hier im Offenstall, seinen besten Freund. Die kleinen Voltigierer, für die er weiterhin „das größte, liebste Pferd“ war, vergötterten ihn, auch wenn es hin und wieder einen blauen Fuß gab, für den Grandeur natürlich nie verantwortlich war.

Nun lebt dieses Ausnahmepferd, dem wir alle Respekt zollen, nicht mehr. Grandeur hat aber in den letzten Jahren die beste Betreuung gehabt, die man sich vorstellen kann.

Charlotte und Stefanie, dazu Nina und natürlich auch Hans haben ihn über die Jahre in seinem schönen Rentnerdasein im Offenstall in der Reitanlage Maria Schacht bestens begleitet. Wir hätten ihm dort noch viele Jahre gewünscht!!!